Deine aktuelle Situation kann beschrieben werden als "Die Anmut" und transformiert sich in "Das Empordringen".
Vor Dir liegt "der Berg" - dieses Element transformiert sich in "die Erde". Das bedeutet, dass Stabilität, Unbeweglichkeit, Stille und Meditation umgewandelt wird in Empfänglichkeit, Pflege und Erhaltung. Hinter Dir liegt "das Feuer" - dieses Element transformiert sich in "der Wind". Das bedeutet, dass Licht und Wärme, Hingabe und Leidenschaft umgewandelt wird in Durchdringung und Geschäfte.
Die Situation
22. Bi - Die Anmut Oben (vorne): Gen - das Stillehalten (der Berg) Unten (hinten): Li - das Haftende (das Feuer)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das Zeichen zeigt ein Feuer, das aus den geheimen Tiefen der Erde hervorbricht und emporflackernd den Berg, die himmlische Höhe, erleuchtet und verschönt. Die Anmut, die schöne Form ist nötig bei jeder Vereinigung, damit sie geordnet und lieblich wird und nicht chaotisch und ungeordnet.
Das Urteil für die aktuelle Situation
Anmut hat Gelingen. Im Kleinen ist es fördernd, etwas zu unternehmen.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Die Anmut bringt Gelingen. Aber sie ist nicht das Wesentliche, die Grundlage, sondern nur die Verzierung. Daher darf sie nur sparsam, im Kleinen angewandt werden. In dem unteren Zeichen, Feuer, tritt eine weiche Linie zwischen zwei starke und macht sie schön; die starken aber sind das Wesen, die schwache Linie ist die verschönernde Form. Im oberen Zeichen, Berg, tritt die starke Linie bestimmend an die Spitze, so daß sie auch hier als ausschlaggebend in Betracht kommt. In der Natur sieht man am Himmel das starke Licht der Sonne. Auf ihr beruht das Leben der Welt. Aber dieses Starke, Wesentliche wird umgewandelt und findet anmutige Abwechslung durch Mond und Sterne. Im Menschenleben besteht die schöne Form darin, daß wie Berge feststehende, starke Ordnungen da sind, die durch die klare Schönheit gefällig gemacht werden. Die Betrachtung der Formen am Himmel verleiht die Fähigkeit, die Zeit und ihre wechselnden Anforderungen zu verstehen. Die Betrachtung der Formen im Menschenleben verleiht die Möglichkeit, die Welt zu gestalten.
Bemerkung: Das Zeichen zeigt die ruhende Schönheit: innen Klarheit und außen Stille. Das ist die Ruhe der reinen Betrachtung. Wenn das Begehren schweigt, der Wille zur Ruhe kommt, dann tritt die Welt als Vorstellung in die Erscheinung. Und als solche ist sie schön und dem Kampf des Daseins entnommen. Das ist die Welt der Kunst. Aber durch bloße Betrachtung wird der Wille nicht endgültig zur Ruhe gebracht. Er wird wieder erwachen, und alles Schöne war dann nur ein vorübergehender Moment der Erhebung. Darum ist dies noch nicht der eigentliche Weg zur Erlösung. Kungtse fühlte sich daher auch sehr unbehaglich, a1s er bei Gelegenheit einer Befragung des Orakels das Zeichen »Anmut« bekam.
Das Bild der aktuellen Situation
Unten am Berg ist das Feuer: das Bild der Anmut. So verfährt der Edle bei der Klarstellung der laufenden Angelegenheiten, aber er wagt es nicht, danach Streitfragen zu entscheiden.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das Feuer, dessen Schein den Berg erleuchtet und anmutig macht, leuchtet nicht auf große Entfernung. So genügt anmutige Form zwar, um kleinere Angelegenheiten zu erheitern und zu erhellen, aber wichtige Fragen können in dieser Weise nicht entschieden werden. Sie bedürfen größeren Ernstes.
Interpretation der veränderlichen Linien
Line 1: Macht seine Zehen anmutig, verläßt den Wagen und geht.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Die Stellung zu Beginn und an untergeordnetem Platze bringt es mit sich, daß man die Mühe des Vorankommens selbst auf sich nehmen muß. Man hätte Gelegenheit, sich unter der Hand eine Erleichterung dargestellt unter dem Bild des Wagens - zu verschaffen. Aber ein in sich geschlossener Mensch verschmäht solche auf zweifelhafte Weise erlangte Erleichterungen. Er findet es anmutiger, zu Fuß zu gehen, als unrechtmäßigerweise im Wagen zu fahren.
Line 2: Macht seinen Kinnbart anmutig.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Der Bart ist nichts Selbständiges. Er kann nur mit dem Kinn zusammen bewegt werden. Das Bild bedeutet daher, daß die Form nur im Gefolge und als Begleiterscheinung des Gehalts in Betracht kommt.
Der Bart ist eine überflüssige Zierde. Seine selbständige Pflege ohne Rücksicht auf den zu schmückenden inneren Gehalt - wäre daher ein Zeichen einer gewissen Eitelkeit.
Line 6: Schlichte Anmut. Kein Makel.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Hier auf der obersten Stufe wird aller Schmuck abgelegt. Die Form verdeckt nicht mehr den Gehalt, sondern läßt ihn zur vollen Geltung kommen. Die höchste Anmut besteht nicht in äußerer Verzierung des Materials, sondern in seiner schlichten, sachgemäßen Gestaltung.
Die dunklen Linien sind im Begriff, nach oben zu steigen und auch den letzten festen und lichten Strich zu Fall zu bringen, indem sie ihn durch ihren Einfluß zersetzen. Das Gemeine, Dunkle bekämpft das Edle, Starke nicht direkt, sondern höhlt es durch unmerkliche Wirkung allmählich aus, so daß es schließlich zusammenbricht.
Die Zukunft
46. Schong - Das Empordringen Oben (vorne): Kun - das Empfangende (die Erde) Unten (hinten): Sun - das Sanfte (der Wind)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das untere Zeichen, Sun, hat als Bild das Holz, das obere, Kun, bedeutet die Erde. Damit ist der Gedanke verbunden, daß das Holz in der Erde emporwächst. Dieses »Empordringen« ist im Gegensatz zu dem »Fortschritt« (Nr. 35) mit Anstrengung verbunden, wie die Pflanze Kraft braucht, um durch die Erde emporzudringen. Darum steht das Zeichen, obwohl es mit Erfolg verbunden ist, in Beziehung zur Anstrengung des Willens. Der »Fortschritt« zeigt mehr Expansion, das »Empordringen« mehr geradliniges Aufsteigen zu Macht und Einfluß aus Unbekanntheit und Niedrigkeit.
Das Urteil für die Zukunft
Das Empordringen hat erhabenes Gelingen. Man muß den großen Mann sehen. Fürchte dich nicht! Aufbruch nach Süden bringt Heil.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das Empordringen der tüchtigen Elemente stößt auf kein Hindernis, darum ist es von großem Erfolg begleitet. Die Art, die das Empordringen ermöglicht, ist nicht gewalttätig, sondern bescheiden und fügsam. Aber da man von der Zeiten Gunst getragen wird, kommt man voran. Man muß hingehen und die maßgebenden Leute aufsuchen. Man braucht sich davor nicht zu fürchten; denn der Erfolg wird nicht ausbleiben. Nur muß man sich an die Arbeit machen; denn Tätigkeit (dies die Bedeutung des Südens) ist von Heil.
Das Bild der Zukunft
Inmitten der Erde wächst das Holz: das Bild des Empordringens. So häuft der Edle hingebenden Wesens Kleines, um es zu Hohem und Großem zu bringen.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das Holz in der Erde wächst ohne Hast und ohne Rast der Höhe zu, indem es sich fügsam um die Hindernisse herumbiegt, So ist der Edle hingebend in seinem Charakter und ruht nie in seinem Fortschritt*.
(* Vgl.: dazu: Die Beschäftigung, die nie ermattet, Die langsam schafft, doch nie zerstört, Die zu dem Bau der Ewigkeiten zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht, Doch von der Großen Schuld der Zeiten Minuten, Tage, Jahre streicht.")