Deine aktuelle Situation kann beschrieben werden als "Nach Der Vollendung" und transformiert sich in "Des Kleinen übergewicht".
Vor Dir liegt "das Wasser" - dieses Element transformiert sich in "der Donner". Das bedeutet, dass Gefahr, das Unbekannte, eingestellte Aktivität umgewandelt wird in Zeugung, Wachstum und Bewegung. Hinter Dir liegt "das Feuer" - dieses Element transformiert sich in "der Berg". Das bedeutet, dass Licht und Wärme, Hingabe und Leidenschaft umgewandelt wird in Stabilität, Unbeweglichkeit, Stille und Meditation.
Die Situation
63. Gi Dsi - Nach Der Vollendung Oben (vorne): Kan - das Abgründige (das Wasser) Unten (hinten): Li - das Haftende (das Feuer)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das Zeichen ist die Ausgestaltung des Zeichens Tal, der Friede (Nr. 11). Der Übergang aus der Verwirrung zur Ordnung ist vollzogen, und nun ist auch im einzelnen alles auf seinem Platz. Die starken Linien sind auf den starken, die schwachen Linien sind auf den schwachen Plätzen. Das ist ein sehr günstiger Aspekt. Allein er gibt doch zu denken. Gerade wenn das vollkommene Gleichgewicht erreicht ist, kann jede Bewegung dazu führen, daß aus dem Zustand der Ordnung wieder der Zerfall entsteht. Dem einen starken Strich, der nach oben gegangen ist und so die Ordnung im einzelnen vollkommen gemacht hat, folgen die anderen ihrer Natur entsprechend nach, und so entsteht dann plötzlich wieder das Zeichen Pi, die Stockung (Nr. 12). so deutet das Zeichen auf die Verhältnisse eines Höhepunktes, die äußerste Vorsicht nötig machen.
Das Urteil für die aktuelle Situation
Gelingen im Kleinen. Fördernd ist Beharrlichkeit. Im Anfang Heil, am Ende Wirren.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Der Übergang von der alten in die neue Zeit ist schon vollzogen. Prinzipiell ist alles schon geregelt. Nur noch im einzelnen läßt sich Erfolg erzielen. Dabei kommt es jedoch darauf an, daß man stets die rechte Gesinnung wahrt. Es geht alles seinen Gang wie von selbst. Das verführt zu leicht dazu, daß man in seiner Anspannung erlahmt und die Dinge laufen läßt, ohne sich im einzelnen darum zu kümmern. Diese Gleichgültigkeit ist aber die Wurzel allen Übels. Aus ihr entspringen mit Notwendigkeit Verfallserscheinungen. Hier ist die Regel aufgestellt, wie es in der Geschichte zu gehen pflegt. Aber diese Regel ist kein unausweichliches Gesetz. Wer sie versteht, der vermag durch unausgesetzte Beständigkeit und Vorsicht ihre Wirkungen zu vermeiden.
Das Bild der aktuellen Situation
Das Wasser ist oberhalb des Feuers: das Bild des Zustands nach der Vollendung. So bedenkt der Edle das Unglück und rüstet sich im voraus dagegen.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Wenn das Wasser im Kessel über dem Feuer hängt, so stehen beide Elemente in Beziehung, und es wird dadurch Kraft erzeugt. (Vgl. die Entstehung des Dampfes.) Allein die dadurch entstehende Spannung gebietet Vorsicht. Läuft das Wasser über, so wird das Feuer ausgelöscht, und seine Kraftwirkung geht verloren. Ist die Hitze zu groß, so verdampft das Wasser und geht in die Luft. Die Elemente, die hier in Beziehung zueinander stehen und so Kraft wirken, sind an sich einander feindlich. Nur die äußerste Vorsicht kann Schaden verhüten. So gibt es auch im Leben Verhältnisse, da alle Kräfte ausgeglichen sind und zusammenwirken und daher scheinbar alles in bester Ordnung ist. Der Weise allein erkennt in solchen Zeiten die Momente der Gefahr und weiß durch rechtzeitige Vorkehrungen sie zu bannen.
Interpretation der veränderlichen Linien
Line 1: Er hemmt seine Räder. Er kommt mit dem Schwanz ins Wasser. Kein Makel.
Kommentar von Richard Wilhelm:
In Zeiten nach einem großen Übergang ist alles auf Fortschritt und Entwicklung aus und drängt voran. Aber dieses Vorwärtsdrängen zu Beginn ist nicht gut und führt sicher zu Verlust und Sturz indem man über das Ziel hinausschießt. Ein starker Charakter läßt sich daher durch den allgemeinen Schwindel nicht anstecken, sondern hemmt rechtzeitig seinen Lauf. So wird er wohl nicht ganz unberührt bleiben von den unheilvollen Folgen des allgemeinen Drängens, aber es trifft ihn nur von hinten wie einen Fuchs, der das Wasser schon überschritten hat und nur noch mit dem Schwanz ins Wasser kommt, und kann ihm nicht wesentlich schaden, da sein ,Verhalten das Richtige getroffen hat.
Line 4: Die schönsten Kleider geben Lumpen. Den ganzen Tag sei vorsichtig.
Kommentar von Richard Wilhelm:
In Zeiten der Kulturblüte kommen immer zuweilen Erschütterungen vor, die einen inneren Schaden der Gesellschaft aufdecken und dann zunächst allgemeines Aufsehen erregen. Da jedoch die allgemeine Lage günstig ist, lassen sich solche Schäden unschwer flicken und vor der Öffentlichkeit verheimlichen. Dann verschwindet wieder alles aus dem Gedächtnis, und es sieht so aus, als herrschte eitel Friede. Dem Denkenden jedoch sind solche Vorfälle ernste Winke, die er nicht vernachlässigt. Nur dadurch kann man die üblen Folgen abwenden.
Line 5: Der Nachbar im Osten, der einen Ochsen schlachtet, bekommt nicht soviel wirkliches Glück wie der Nachbar im Westen mit seinem kleinen Opfer.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Auch die religiöse Haltung wird durch die seelische Stimmung in Zeiten nach der Vollendung beeinflußt. An Stelle der einfachen alten Formen tritt bei den Gottesdiensten immer reichere Ausgestaltung und immer größerer äußerer Prunk. Aber dieser Prachtentfaltung fehlt der innere Ernst. Menschliche Willkür tritt an die Stelle des gewissenhaften Innehaltens des göttlichen Willens. Aber während der Mensch sieht, was vor Augen ist, sieht Gott das Herz an. Darum ruht nicht soviel Segen auf dem mächtigen, aber kalten Gottesdienste, wie auf einem einfachen, frommen Opfer ruht.
Die Zukunft
62. Siau Go - Des Kleinen übergewicht Oben (vorne): Dschen - das Erregende (der Donner) Unten (hinten): Gen - das Stillehalten (der Berg)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Während bei dem Zeichen >>Des Großen Übergewicht« (Nr. .8) die starken Striche im Obergewicht sind, und zwar innen, eingeschlossen zwischen die beiden Striche zu Anfang und zu Ende, sind hier die schwachen Striche im Übergewicht, ebenfalls außen, während die starken innen sind. Darauf beruht eben der Ausnahmezustand. Sind die starken Striche außen, so haben wir die Zeichen I, Ernährung, und Dschung Fu, Innere Wahrheit, die beide nicht Ausnahmezustände bezeichnen. Wenn die Starken innen im Übergewicht sind, so müssen sie sich durchsetzen. Das schafft Kampf und Ausnahmezustände im Großen. Hier dagegen muß notgedrungen das Schwache die Vertretung nach außen übernehmen. Wenn man an einem entscheidenden Platz steht, dem man seinem Wesen nach eigentlich nicht gewachsen ist, so ist außerordentliche Vorsicht nötig.
Das Urteil für die Zukunft
Des Kleinen Übergewicht. Gelingen. Fördernd ist Beharrlichkeit. Man mag kleine Dinge tun, man soll nicht große Dinge tun. Der fliegende Vogel bringt die Botschaft: "Es ist nicht gut, nach oben zu streben, es ist gut, unten zu bleiben. Großes Heil !
Kommentar von Richard Wilhelm:
Außerordentliche Bescheidenheit und Gewissenhaftigkeit wird sicher von Erfolg belohnt werden, nur ist es wichtig, daß sie nicht leere Formel und kriechendes Wesen werden, sondern mit der rechten Würde im persönlichen Auftreten verbunden bleiben, so daß man sich nicht wegwirft. Man muß verstehen, was die Forderungen der Zeit sind, um die rechte Ergänzung für die Mängel und Schäden der Zeit zu finden. Immerhin darf man sich nicht auf große Erfolge gefaßt machen, da dazu die nötige Stärke fehlt. Darum ist die Botschaft so wichtig, nicht nach hohen Dingen zu streben, sondern sich zu den niedrigen zu halten. Daß diese Botschaft durch einen Vogel gebracht wird, ergibt sich aus der Gestalt des Zeichens. Die vier starken, schweren Striche im Innern, die nur von zwei schwachen Strichen außen gestützt werden bei Da Go, Nr. 8, geben das Bild des lastenden Firstbalkens. Hier sind die tragenden leichten Striche außen und in der Überzahl; das gibt das Bild des schwebenden Vogels. Aber der Vogel soll sich nicht überheben und in die Sonne fliegen wollen, sondern sich herablassen auf die Erde, wo sein Nest ist. Damit gibt er die Botschaft, die das Zeichen verkündet.
Das Bild der Zukunft
Auf dem Berg ist der Donner: das Bild von des Kleinen Übergewicht. So legt der Edle im Wandel das Übergewicht auf die Ehrerbietung. Bei Trauerfällen legt er das Übergewicht auf die Trauer. Bei seinen Ausgaben legt er das Übergewicht auf die Sparsamkeit.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Der Donner auf dem Berge ist anders als der in der Ebene. In den Bergen ist der Donner viel näher, während er außerhalb der Gebirge weniger hörbar ist als der Donner eines gewöhnlichen Gewitters. So entnimmt der Edle diesem Bild die Aufforderung, in allen Dingen die Pflicht näher und unmittelbarer ins Auge zu fassen als die Menschen des Alltags, obwohl infolge davon sein Betragen von außen her gesehen kleinlich erscheinen könnte. Er nimmt es besonders genau mit seinen Handlungen. Bei Trauerfällen steht ihm die innere Ergriffenheit weit näher als. äußerer Formelkram, und so ist er bei Aufwendungen für seine eigene Person außerordentlich einfach und anspruchslos. Dieses alles bewirkt, daß er den Menschen der Masse gegenüber eine Ausnahmeerscheinung ist. Aber das Wesen dieser Ausnahme liegt darin, daß sie nach außen hin auf der Seite des Geringen sich beendet.