Deine aktuelle Situation kann beschrieben werden als "Der Streit" und transformiert sich in "Das Entgegenkommen".
Vor Dir liegt "der Himmel", dieses Element repräsentiert Kraft und Gesundheit, Aktivität und Bewegung. Hinter Dir liegt "das Wasser" - dieses Element transformiert sich in "der Wind". Das bedeutet, dass Gefahr, das Unbekannte, eingestellte Aktivität umgewandelt wird in Durchdringung und Geschäfte.
Die Situation
6. Sung - Der Streit Oben (vorne): Kien - das Schöpferische (der Himmel) Unten (hinten): Kan - das Abgründige (das Wasser)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das obere Urzeichen, dessen Bild der Himmel ist, hat die Bewegungsrichtung nach oben, das untere Urzeichen »Wasser« ist seiner Natur nach abwärts gerichtet. Die Bewegungsrichtungen der beiden Hälften gehen auseinander, das ergibt den Gedanken des Streites.
Die Eigenschaft des Schöpferischen ist die Stärke, die des Abgründigen die Gefahr, Hinterlist. Wo List Gewalt vor sich hat, da gibt es Streit.
Eine dritte Ableitung legt sich innerhalb des Charakters durch Verbindung von abgründiger Hinterlist im Innern und starker Entschlossenheit im Äußern nahe. Ein derartiger Charakter wird sicher streitsüchtig sein.
Das Urteil für die aktuelle Situation
Der Streit: Du bist wahrhaftig und wirst gehemmt. Sorgliches Innehalten auf halbem Weg bringt Heil. Zu Ende führen bringt Unheil. Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen. Nicht fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Streit entsteht, wenn man im Gefühl seines Rechts auf Widerstand stößt. Ohne die Überzeugung des eigenen Rechts führt Widerstand zu Hinterlist oder gewaltsamem Übergriffen aber nicht zum offenen Streit.
Ist man in Streit verwickelt, so ist machtvolle Besonnenheit, die jederzeit zur Beilegung des Streites und zum Vergleich auf halbem Weg bereit ist, das einzige Heilbringende. Ein Verfolgen des Streites bis zum bitteren Ende ist, selbst wenn man recht behält, vom übel, weil man dadurch die Feindschaft verewigt. Es ist wichtig, den großen Mann zu sehen, d. h. einen unparteiischen Mann, dessen Autorität hinreicht, um den Streit friedlich beizulegen oder gerecht zu entscheiden. Auf der andern Seite ist es zu vermeiden, in Zeiten des Unfriedens »das große Wasser zu durchqueren«, d. h. gefahrvolle Unternehmungen zu beginnen, denn die bedürfen einheitlich zusammengefaßter Kräfte, wenn sie gelingen sollen. Streit im Innern lähmt die Kraft, die Gefahr im Äußeren zu besiegen.
Das Bild der aktuellen Situation
Himmel und Wasser gehen einander entgegengesetzt: das Bild des Streites. So überlegt der Edle bei allen Geschäften, die er tut, den Anfang.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das Bild deutet darauf hin, daß die Ursachen des Streites in den zuvor schon vorhandenen entgegengesetzten Richtungen beider Teile liegen. Sind solche einander entgegenstrebenden Richtungen einmal vorhanden, so folgt der Streit mit Notwendigkeit. Daraus folgt, daß, um Streit zu verhüten, im ersten Anfang alles sorgfältig bedacht werden muß. Wenn Recht und Pflicht genau festgelegt sind, oder wenn bei einer Verbindung von Menschen deren geistige Richtungen zusammengehen, so ist die Ursache des Streits zum voraus beseitigt.
Interpretation der veränderlichen Linien
Line 3: Von alter Tugend sich nähren, gibt Beharrlichkeit. Gefahr, am Ende kommt Heil. Folgst du etwa eines Königs Diensten, so suche nicht Werke.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Es wird hier vor der Gefahr gewarnt, die die Neigung zum Umsichgreifen bringt. Nur was durch frühere Verdienste ehrlich verdient ist, bleibt dauernder Besitz. Ein solcher Besitz kann wohl einmal angefochten werden, aber da er wirkliches Eigentum ist, kann er nicht geraubt werden. Denn was einem vermöge der Kraft des eigenen Wesens angehört, kann man nicht verlieren. Wenn man in die Dienste eines Höheren tritt, so kann man den Streit nur dadurch vermeiden, daß man keine Werke für sich sucht. Es mag genügen, wenn sie getan werden. Die Ehre mag dem andern bleiben.
Die Zukunft
44. Gou - Das Entgegenkommen Oben (vorne): Kien - das Schöpferische (der Himmel) Unten (hinten): Sun - das Sanfte (der Wind)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das Zeichen deutet auf eine Lage, da das dunkle Prinzip heimlich und unerwartet von innen und unten her sich wieder eindrängt, nachdem es beseitigt war. Das Weibliche kommt von sich aus den Männern entgegen. Das ist eine gefährliche und nicht günstige Lage, wegen der möglichen Konsequenzen, die es rechtzeitig zu erkennen und dadurch zu verhindern gilt. Das Zeichen ist dem fünften Monat (Juni-Juli) zugeordnet da mit der Sommersonnenwende das dunkle Prinzip allmählich wieder aufzusteigen beginnt.
Das Urteil für die Zukunft
Das Entgegenkommen. Das Mädchen ist mächtig. Man soll ein solches Mädchen nicht heiraten.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das Emporkommen des Gemeinen ist unter dem Bild eines frechen Mädchens gezeichnet, das sich leichthin preisgibt und dadurch die Herrschaft an sich reißt. Das wäre nicht möglich, wenn das Starke und Lichte dem nicht auch seinerseits entgegenkäme. Das Gemeine sieht so harmlos und schmeichelnd aus, daß man seine Freude daran hat. Es sieht so klein und schwach aus, daß man meint, unbesorgt mit ihm scherzen zu können.
So kommt der Gemeine nur dadurch hoch, daß der Edle ihn für ungefährlich hält und ihm Macht verleiht. Würde man ihm vom ersten Anfang an entgegentreten, so würde er nie zu Einfluß gelangen können.
Aber die Zeit des Entgegenkommens hat doch auch noch eine andere Seite, die der Beachtung wert ist. Wenn das Entgegenkommen des Schwachen dem Starken gegenüber nicht die Regel sein darf, so hat es doch zu Zeiten seine große Bedeutung. Wenn Himmel und Erde einander entgegenkommen, so kommen alle Geschöpfe zum Gedeihen. Wenn Fürst und Gehilfe einander entgegenkommen, so kommt die Welt in Ordnung. Ein gegenseitiges Entgegenkommen der füreinander bestimmten und aufeinander angewiesenen Prinzipien ist nötig. Nur muß es frei sein von unreinen Nebengedanken, sonst ist es vom Übel.
Das Bild der Zukunft
Unter dem Himmel ist der Wind: das Bild des Entgegenkommens. So macht es der Fürst beim Verbreiten seiner Befehle und ihrer Verkündigung an die vier Himmelsgegenden.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Die Lage ist ähnlich wie bei dem Zeichen »Anblick« (Nr. 20). Dort weht der Wind über die Erde, hier weht er unter dem Himmel. Beide Male kommt er überall hin. Aber wenn dort der Wind auf der Erde unten war, so ergab das das Bild der Kenntnisnahme der Verhältnisse durch den Herrscher. Hier weht der Wind von oben; das deutet auf den Einfluß, den der Herrscher durch seine Befehle ausübt. Der Himmel ist den Dingen auf Erden fern, aber er bringt sie in Bewegung durch den Wind. Der Herrscher ist dem Volke fern, aber er bringt es in Bewegung durch seine Befehle und Willensäußerungen.