Deine aktuelle Situation kann beschrieben werden als "Die Zersplitterung" und transformiert sich in "Die Betrachtung (der Anblick)".
Vor Dir liegt "der Berg" - dieses Element transformiert sich in "der Wind". Das bedeutet, dass Stabilität, Unbeweglichkeit, Stille und Meditation umgewandelt wird in Durchdringung und Geschäfte. Hinter Dir liegt "die Erde", dieses Element repräsentiert Empfänglichkeit, Pflege und Erhaltung.
Die Situation
23. Bo - Die Zersplitterung Oben (vorne): Gen - das Stillehalten (der Berg) Unten (hinten): Kun - das Empfangende (die Erde)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Die dunklen Linien sind im Begriff, nach oben zu steigen und auch den letzten festen und lichten Strich zu Fall zu bringen, indem sie ihn durch ihren Einfluß zersetzen. Das Gemeine, Dunkle bekämpft das Edle, Starke nicht direkt, sondern höhlt es durch unmerkliche Wirkung allmählich aus, so daß es schließlich zusammenbricht.
Das Zeichen stellt das Bild eines Hauses dar. Der oberste Strich ist das Dach. Indem nun das Dach zerbrochen wird, zerfällt das Haus.
Das Zeichen ist dem neunten Monat (Oktober-November) zugeordnet. Die Yinkraft dringt immer mächtiger heran und ist im Begriff, die Yangkraft völlig zu verdrängen.
Das Urteil für die aktuelle Situation
Die Zersplitterung. Nicht fördernd ist es, wohin zu gehen.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Es ist eine Zeit, da die Gemeinen im Vordringen sind und eben im Begriff stehen, die letzten Starken und Edlen zu verdrängen. Darum, weil das im Lauf der Zeit begründet ist, ist es für den Edlen unter solchen Umständen nicht förderlich, etwas zu unternehmen. Aus den Bildern und ihren Eigenschaften ist das rechte Verhalten in solchen widrigen Zeiten zu entnehmen. Das untere Zeichen bedeutet die Erde, deren Eigenschaft die Fügsamkeit und Hingebung ist, das obere Zeichen bedeutet den Berg, dessen Eigenschaft die Stille ist. Das legt den Rat nahe, sich in die böse Zeit zu fügen und stille zu sein. Es handelt sich hier nicht um menschliches Machen, sondern um Zeitverhältnisse, die nach himmlischen Gesetzen auch einen Wechsel von Zunahme und Abnahme, Fülle und Leere zeigen. Diesen Zeitverhältnissen läßt sich nicht entgegenwirken. Daher ist es nicht Feigheit, sondern Weisheit, wenn man sich fügt und vermeidet zu handeln.
Das Bild der aktuellen Situation
Der Berg ruht auf der Erde: das Bild der Zersplitterung. So können die Oberen nur durch reiches Spenden an die Unteren ihre Stellung sichern.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Der Berg ruht auf der Erde. Wenn er steil und schmal ist und keine breite Grundlage hat. so muß er einstürzen. Nur dadurch. daß er breit und groß sich aus der Erde erhebt, nicht stolz und steil, ist seine Stellung gesichert. So ruhen auch die Herrschenden auf der breiten Grundlage des Volks. Auch für sie gilt es, freigebig und großzügig zu sein, wie die Erde, die alles trägt; dann werden sie ihre Stellung in Sicherheit bringen wie die Ruhe eines Berges.
Interpretation der veränderlichen Linien
Line 5: Ein Zug Fische. Durch die Palastdamen kommt Gunst. Alles ist förderlich.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Hier in unmittelbarer Nähe des oberen starken und lichten Prinzips wandelt sich die Natur des Dunklen. Es widerstrebt nicht mehr ränkevoll dem starken Prinzip sondern unterwirft sich seiner Leitung. Ja als Haupt der übrigen Schwachen führt es diese alle dem Starken zu, gleichwie eine Fürstin ihre Dienerinnen ihrem Gatten wie einen Zug Fische zuführt und dadurch seine Gunst erlangt. Indem das Niedere sich so freiwillig dem Höheren unterstellt, findet es sein Glück, und auch das Höhere kommt zu seinem Recht. Darum geht alles gut.
Die Zukunft
20. Guan - Die Betrachtung (der Anblick) Oben (vorne): Sun - das Sanfte (der Wind) Unten (hinten): Kun - das Empfangende (die Erde)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Der chinesische Name des Zeichens hat mit leichter Abwandlung der Betonung eine doppelte Bedeutung. Einerseits bedeutet es das Betrachten, andererseits das Gesehenwerden, das Vorbild. Diese Gedanken werden dadurch nahegelegt, daß das Zeichen aufgefaßt werden kann als das Bild eines Turmes ZEICHNUNG VOM TURM wie sie im alten China häufig waren. Von solchen Türmen hatte man eine weite Aussicht ringsumher, und andererseits war ein solcher Turm auf einem Berge weithin sichtbar. So wird durch das Zeichen ein Herrscher gezeigt, der nach oben das Gesetz des Himmels und nach unten die Sitten des Volkes betrachtet und der mit seiner guten Regierung ein erhabenes Vorbild für die Massen ist.
Das Zeichen ist dem achten Monat (September-Oktober) zugeordnet. Die lichte Kraft zieht sich zurück, die dunkle ist wieder im Steigen. Doch kommt diese Seite hier für die Gesamterklärung des Zeichens nicht in Betracht.
Das Urteil für die Zukunft
Die Betrachtung. Die Waschung ist geschehen, aber noch nicht die Darbringung. Vertrauensvoll blicken sie zu ihm auf.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Die Opferhandlung in China begann mit einer Waschung und Libation, durch die die Gottheit herbeigerufen wurde. Darauf wurden die Opfer dargebracht. Der Zeitpunkt zwischen beiden Handlungen ist der heiligste, der Augenblick höchster innerer Sammlung. Wenn die Frömmigkeit glaubensvoll und aufrichtig ist, so wirkt ihre Betrachtung auf die, die Zeugen sind, umwandelnd und ehrfurchtgebietend.
So ist in der Natur ein heiliger Ernst zu sehen in der Gesetzmäßigkeit, mit der alle Naturereignisse vor sich gehen. Die Betrachtung des göttlichen Sinns des Weltgeschehens gibt dem Mann, der auf Menschen zu wirken berufen ist, die Mittel an die Hand, dieselben Wirkungen auszuüben. Dazu ist eine innere Sammlung nötig, wie sie die religiöse Betrachtung in großen und glaubensstarken Menschen hervorbringt. Dadurch schauen sie die geheimnisvollen göttlichen Lebensgesetze und verschaffen ihnen durch den höchsten Ernst innerer Sammlung Verwirklichung in ihrer eigenen Persönlichkeit. So geht von ihrem Anblick eine geheimnisvolle geistige Macht aus, die auf die Menschen wirkt und sie unterwirft, ohne daß sie sich bewußt werden, wie das zugeht.
Das Bild der Zukunft
Der Wind geht über die Erde hin: das Bild der Betrachtung. So besuchten die alten Könige die Weltgegenden, betrachteten das Volk und spendeten Belehrung.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Wenn der Wind über die Erde weht, so kommt er überall hin, und das Gras muß sich seiner Macht beugen. Diese beiden Vorgänge finden in dem Zeichen ihre Bestätigung. Sie waren in Wirklichkeit umgesetzt in den Einrichtungen der Könige des Altertums, die einerseits durch regelmäßige Reisen sich den Anblick ihres Volkes verschafften, so daß ihnen nichts, was als Sitte im Volk lebte, entgehen konnte, und die dabei andererseits ihren Einfluß geltend machten, durch den solche Sitten, die nicht stimmten, geändert wurden.
Das Ganze deutet auf die Macht der überlegenen Persönlichkeit. Eine solche wird die große Menge der Menschen übersehen in ihren wirklichen Gesinnungen, so daß keine Täuschung ihm gegenüber möglich ist, und andererseits wird er durch sein bloßes Dasein, durch die Wucht seiner Persönlichkeit, Eindruck auf sie machen, so daß sie sich nach ihm richten wie das Gras nach dem Winde.